Auch das begann mit einer Liebe
„Wenn jemand besessen von einer Sache ist, dann findet er früher oder später immer seinen Weg“ – sagt Péter Rácz, der Vorsitzende der Stiftung Ungarisches Übersetzerhauses, mit dem sich aus Anlass des Internationalen Übersetzertages Owen Good über seinen beruflichen Werdegang, das Übersetzerhaus und die Ausbildung literarischer Übersetzer unterhielt.
Am 30. September feiern wir den Internationalen Übersetzertag, am Todestag des Bibelübersetzers Hieronymus, dem Schutzheiligen der Übersetzer. Der Internationale Übersetzerverband (FIT) warf die Idee von einem offiziell anerkannten Feiertag im Jahr 1991 auf, um sich solidarisch mit der Gemeinschaft der Übersetzer zu zeigen und dem Übersetzen als Beruf in den einzelnen Ländern zu größerer Anerkennung zu verhelfen. Im Zusammenhang mit dem Hieronymustag sprach Owen Good mit Péter Rácz, einer zentralen Figur der literarischen Übersetzung und Übersetzungsausbildung in Ungarn, dem Gründer des Ungarischen Übersetzerhauses in Balatonfüred.
Wie wurdest du Übersetzer und auf welche Weise führte dein beruflicher Weg zur Gründung der Stiftung Ungarisches Übersetzerhaus in Balatonfüred?
Wie so oft im Leben, begann auch das mit einer Liebe. Eine frühere Freundin seufzte einmal, Kierkegaards Furcht und Zittern sei so schön, dass es gut wäre, dieses Werk zu übersetzen. Als unsere Beziehung (nicht das erste und nicht das letzte Mal) endete, setzte ich mich daran und übersetzte es, aus dem Deutschen. Kein Verlag wollte das Buch haben, und es vergingen sechs Jahre, bis der Európa Verlag es herausgab: So viel Zeit musste vergehen, damit die ideologischen Bedenken überwunden wurden. Das war in den achtziger Jahren. Mit der Übersetzung lernte ich sowohl Deutsch als auch (besser) Ungarisch. Und natürlich, dass ein Übersetzer möglichst nicht ohne Auftrag übersetzen sollte. Der Text ist wundervoll und nahezu jeder Satz galt mir, ich glaubte an Abrahams über allem stehenden Glauben. Aber ich hörte auch viele, viele Jahre lang, dass der Text auch anderen gefiel, er wurde sogar an der Universität gelehrt. Später übersetzte ich noch zwei Werke von Kierkegaard, mehr wollte ich aber nicht aus einer vermittelnden Sprache übersetzen. Was allerdings bereits zur Übersetzung ungarischer Literatur gehört, ist, dass ich seit den 80er Jahren als Referent und Seminarleiter am Übersetzercamp des Attila József Kreises (József Attila Kör, JAK) teilnehme. Dann lernte ich das Europäische Übersetzer-Kollegium in Straelen kennen, als ich begann, Martin Bubers Die Erzählungen der Chassidim zu übersetzen. Doch erst Mitte der 90er Jahre kam mir die Idee, dass wir in Ungarn auch ein Übersetzerhaus bräuchten, damals schrieb ich einen Artikel darüber. Und als ich mit der Übersetzung von Die Erzählungen der Chassidim fertig war, machte ich mich an die Gründung des Übersetzerhauses. Nach den anfänglichen Schwierigkeiten kann ich von einem Erfolg sprechen, das Haus existiert nun bereits seit 20 Jahren. Unterdessen bat man mich, im Balassi Institut literarisches Übersetzen zu lehren, wo nach zwei Jahren die Ausbildung von literarischen Übersetzern zu einem eigenständigen Kurs wurde: das heißt, alles entwickelte sich nach und nach.
Würdest du uns etwas ausführlicher über die Anfänge des Übersetzerhauses erzählen?
Nachdem ich meine Erfahrungen, die ich im deutschen Übersetzerhaus gemacht hatte, in einem Artikel für eine Literaturzeitschrift formuliert hatte, versuchten sich einige mit der Gründung eines Übersetzerhauses in Ungarn, allerdings ohne Erfolg. Und da machte ich mich an die Sache, es dauerte zwei Jahre, bis ich das entsprechende Gebäude gefunden hatte und es mir gelungen war, das viele Geld, das für den Umbau notwendig war, von einer niederländischen und einer schweizerischen Stiftung sowie vom ungarischen Staat zu beschaffen. Dabei scheiterte ich häufig, doch das steigerte meine Entschlossenheit nur noch mehr. Zuerst musste natürlich die Stiftung Ungarisches Übersetzerhaus als Rechtsperson ins Leben gerufen werden. Ein Kuratorium von fünf Personen entscheidet über die Bewerbungen der Übersetzer, die in das Haus in Balatonfüred kommen und dort einige Wochen arbeiten möchten. Die Arbeit der Stiftung nahm rasch ihre heutige Form an: Wir bemühen uns genau, effektiv und zugleich wenig bürokratisch zu arbeiten. Am wichtigsten ist uns, den Übersetzern die entsprechenden Arbeitsbedingungen zu gewährleisten. Für den Nachwuchs halten wir für verschiedene Sprachen Seminare zum literarischen Übersetzen, jährlich bis zu zehn, zwölf. Diese Kurse hält jeweils ein versierter Übersetzer mit gutem pädagogischen Gespür, es werden Referenten und Verlagslektoren aus dem Ausland eingeladen. Ein großer Teil der im Balassi Institut ausgebildeten Übersetzer (hier studiert bereits der 14. Jahrgang) ist früher oder später, sobald er seinen ersten eigenen Übersetzungsauftrag von einem Verlag bekommen hat, im Übersetzerhaus zu Gast. Voraussetzung ist nämlich, dass die dort angefertigte Übersetzung erscheint. Daher ist das durchschnittliche Alter unserer Gäste relativ niedrig, etwa 45 Jahre. Über die Arbeit des Übersetzerhauses und die Bedingungen kann man sich auf unserer Website informieren: www.forditohaz.hu. Natürlich können wir dort nur ausländische Übersetzer ungarischer Literatur für die Zeit ihres Aufenthaltes mit einem Stipendium unterstützen.
Und welcher Nationalität sind diese Übersetzer?
Jährlich sind etwa 120–140 Übersetzer im Haus zu Gast, die Hälfte von ihnen kommt mit einem eigenen Übersetzungsauftrag, sie sind bereits professionelle literarische Übersetzer, die anderen nehmen jeweils an einem Übersetzerseminar teil. Aus Europa war vielleicht nur aus Griechenland noch kein Übersetzer bei uns, aus allen anderen Ländern hatten wir bereits Gäste. Aus Fernost aus der Mongolei, China, Japan, Indonesien, Indien, und in der anderen Richtung, aus Übersee, aus den USA. Es ist zu sehen: Dort, wo der Unterricht der ungarischen Sprache gut ist, da gibt es auch mehr Übersetzer, beispielsweise in Polen. Eine Angabe aus dem Jahr 2017 ist, dass ca. 40 Autoren in 18 Sprachen übersetzt wurden, und 28 im Haus übersetzte Werke in den verschiedenen Ländern erschienen.